In den Klinkergebäuden in Embrach wird bereits seit geraumer Zeit Geschichte geschrieben: Hier entstehen Unikate aus Keramik. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt die Traditionsarbeit.
Wir befinden uns in Embrach/ZH, am «Herzstück», wie das Familienunternehmen Ganz Baukeramik AG diesen Standort liebevoll nennt. Unser Gang durch die Manufaktur beginnt im Formenlager. Tausende Gipsformen vergangener Projekte stapeln sich wie Süssigkeiten am Kiosk in den Regalen des Dachstocks und laufend kommen aus der hauseigenen Modellwerkstatt neue hinzu. Jede Negativform hat ihre Geschichte – ihren positiven Gegenspieler in Form einer Ofenkachel, die wahrscheinlich immer noch irgendwo Wärme spendet. «Erhalten wir eine Anfrage für eine Reproduktion, schauen wir nach, ob sich die Form dazu in unserem Lager wiederfindet», erklärt Keramikmeister Lucian Kainz.
Fingerspitzengefühl Auf demselben Stockwerk befindet sich auch die Handformerei. Die von der Arbeit mit Ton ausgetrockneten Hände der visionären Keramiker schaffen – wie schon mehrere Generationen vor ihnen – Unikate aus Keramik. Mit Fingerspitzengefühl drücken sie die Tonmasse in die Form. Danach kommen die Werkstücke in den Trocknungsraum. Wenn sie lederhart sind, werden sie von Hand abgerichtet. Das Schöne an dieser Arbeit ist, dass Keramik kein Verfallsdatum hat. Im Gegenteil. Dabei ist die Herstellung alles andere als einfach. Das Naturmaterial Ton in die perfekte Form zu bringen ist herausfordernd. Denn verschiedene Tonsorten schwinden je nach Feuchtigkeit und Brenntemperatur unterschiedlich stark. Genau dieses Zusammenspiel beherrschen die Keramiker und erschaffen so aus einem ökologischen Material das perfekte Produkt.
69 Standardfarben
Fünf Brennöfen stehen bereit, um die fein säuberlich aufgeschichteten Werkstücke aufzunehmen. Je nach Verfahren werden sie 48 bis 72 Stunden bei Temperaturen zwischen 1000 und 1200 Grad gebrannt. Auch die Abkühlung kann nicht beschleunigt werden – gut Ding will eben Weile haben. Danach folgt, wenn gewünscht, das Glasieren. 69 Standardfarben stehen zur Verfügung und dank der über die Jahre erarbeiteten Geheimrezepte sind unzählige Abwandlungen möglich. Wie in einer Apotheke stehen Pülverchen und Pigmente bereit, die nun gemischt werden. Für das Resultat spielt auch der Untergrund, sprich der verwendete Ton, eine grosse Rolle. Aufgetragen wird die Glasur per Schüttung oder mit der Spritzpistole. «Es braucht viel Übung, damit keine Läufe entstehen. Der Glasurauftrag muss gleichmässig sein, damit das Resultat eine Einheit bildet», erklärt Rubén Rodriguez, Leiter der Manufaktur. Fasziniert bestaunen wir, wie schnell die Glasur aufgetragen wird. Noch ist nicht zu erahnen, wie die fertige Keramik aussehen wird. Erst beim zweiten Brand entsteht eine glasartige, wasserundurchlässige Oberfläche und die endgültige Farbe wird ersichtlich. «Wenn wir den Ofen öffnen und den Setzwagen mit der fertigen Keramik herausziehen, ist es jedes Mal wie Päckli auspacken an Weihnachten. Die Arbeit ist abwechslungsreich und einzigartig – kein Auftrag ist wie der andere», sagt Rubén Rodriguez. Und genauso ist die Keramik, die die Manufaktur verlässt: Jedes Stück ein Unikat, das die Handschrift des Keramikers trägt.
«Keramik ist unsere Leidenschaft»
Das Familienunternehmen Ganz Baukeramik AG gehört seit 1805 zu den führenden Anbietern in der Schweiz im Bereich Keramikplatten und Wohnraumfeuerungen. Heute fertigen die Keramiker glasierte oder unglasierte Boden- und Wandbeläge in allen erdenklichen Formen und Farben. Dank der zwölf Mitarbeiter, dem Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde, und den verschiedenen traditionellen Verfahren ist Architekturkeramik in Gross- oder Kleinmengen nach Wunsch möglich. Ganz nach dem Motto «Keramik ist unsere Leidenschaft» entsteht hier im Familienbetrieb «Schönes aus Embrach».
Ganz Baukeramik AG
Text: Patricia Delafontaine, Hannah Fraziska Krautwald
aus dem Magazin: Häuser modernisieren, Zeitschrift Nr. 2/2023