Historische Fenster erfüllen die energetischen Anforderungen unserer Zeit nicht. Doch komplett auswechseln muss man sie deswegen nicht. Es gibt Mittel und Wege, sie mit einfachen Massnahmen fit zu machen.
Fenster sind so etwas wie die Seele eines Hauses. Ihre Grösse und Beschaffenheit beeinflussen das äussere Erscheinungsbild und die Atmosphäre im Innern. Die Geschichte des Fensters ist geprägt durch funktionale Anforderungen, gestalterische und kulturelle Entwicklungen und technische Neuerungen. Im Zuge der aktuellen energiepolitischen Diskussion gerät das baukulturelle Erbe – und damit auch der historische Fensterbestand – weiter unter Druck. Häufig lassen sich aber bereits mit einfachen Massnahmen starke energetische Verbesserungen erzielen.
Zweites Leben
Bei historisch wertvollen Fenstern besteht die wichtigste Massnahme in der Erhaltung und der sorgfältigen Reparatur. Die häufigsten Schäden an Holzfenstern sind abblätternde Farbanstriche, brüchiger Leinölkitt, Verwitterung und mangelnde Dichtigkeit der Fensterflügel. Für die energietechnische Aufwertung der Fenster steht Handwerkern, die mit alten Fertigungstechniken vertraut sind, eine ganze Palette von Eingriffen zur Verfügung.
Historische Fenster können beispielsweise durch das Ersetzen defekter Holzteile, das Richten von Beschlägen oder durch zusätzliche Dichtungen sowie einen neuen Anstrich energetisch stark verbessert werden. Der häufig vorkommende weisse Anstrich der Fensterrahmen dient dabei nicht primär der Zierde, sondern verringert das Aufheizen und damit den Verzug der Fensterrahmen. Auf der sonnenzugewandten Seite ist die Fassade von Holzhäusern im Sommer nicht selten Temperaturen von über 80 Grad Celsius ausgesetzt. Eine periodische Erneuerung des weissen Anstrichs ist eine wichtige Massnahme zum Erhalt der Fenster. Eine gängige Praxis war es ausserdem, ausgediente Innenfenster als Vorfenster wiederzuverwenden. Wind und Wetter ausgesetzt, traten die ehemaligen Innenfenster damit in die letzte Phase ihres Lebenszyklus.
Fenster aus drei Jahrhunderten
Stefan Höhn, Mitinhaber von hûs.ch, widmet sich seit vielen Jahren mit Hingabe und Knowhow der Restaurierung historischer Fenster. So auch der Fensterrestaurierung als Teil einer umfassenden Fassadenrenovation eines denkmalgeschützten barocken Bruchsteinbaus aus dem 16. Jahrhundert in Präz/GR. Hier identifizierte er Fenster aus drei Jahrhunderten mit typischen Beschlägen und Glasteilungen: aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie aus den 1920/30er Jahren. Stefan Höhn stellte einen kompletten Satz neuer Vorfenster her. Die vier- bis sechsfeldrigen Lärchenholzflügel, teils noch mit Lüftungsflügeln versehen, erstellte er in Handarbeit und stattete diese mit bestandsgerechtem Zieh- bzw. Zylinderglas aus. Je nach Saison können sie ein- und ausgehängt werden und verbessern so den Wärmedämmkoeffizienten der Bestandsfenster.
Ein weiteres Restaurierungsprojekt in Präz betraf die Fenster eines verschalten Blockbaus, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert. Die Fenster in der schön erhaltenen Stube mit Balken-Bohlendecke wurden zur Mitte des letzten Jahrhunderts mit Fitschenbändern und Stossriegelverschlüssen aufgewertet. Die Fenster schlossen schlecht und lotterten in den Beschlägen. Die Restaurierungsarbeiten umfassten unter anderem die komplette Demontage der Flügelrahmen. Dem Alter der Beschläge entsprechend ersetzte Stefan Höhn defekte Gläser mit gezogenem Glas und verkittete alle Fensterflügel neu mit Leinölkitt. Die bereits industriell hergestellten Beschläge wurden entrostet und geölt. An den Fensterrahmen wurden zum besseren Schutz vor Zugluft moderne Gummidichtungen eingefräst.
Staatliche Zuschüsse
Die Erhaltung der historischen Fenster ist nicht nur aus gestalterischen und denkmalpflegerischen Überlegungen sinnvoll, sondern zahlt sich auch monetär aus. «Preislich liegt ein solches Vorfenster weit unter einem neuen denkmalgerechten Isolierglasfenster und der Vorteil für die Gesamterscheinung des Gebäudes liegt ebenfalls auf der Hand», meint Stefan Höhn. Hinzu kommt, dass es in einzelnen Kantonen für die Sanierung und den Erhalt von historischen Fenstern staatliche Zuschüsse gibt, auch für Bauten, die nicht unter Schutz stehen.
Hûs Architektur und Handwerk
Text: Claudio Beccarelli, Bearbeitung: Hannah Franziska Krautwald und Christine Vollmer
Fotos: Stefan Höhn
aus: Häuser modernisieren, Heft Nr. 4/2021